Teil 8 Sektion Encliandra - Teil 1 

von Henk Hoefakker

In dieser Folge beginnen wir mit ersten Arten der Sektion Encliandra, der Sektion mit den kleinblütigen Fuchsien. Hier sind sechs Arten und eine Naturhybride eingeteilt. Drei der sechs Arten sind in zwei oder mehr Unterarten (Subspezies, abgekürzt ssp.) unterteilt. Alle Arten kommen als kleine bis ziemlich kräftige Büsche in Mittelamerika vor. Bevorzugt wachsen sie in kühlen Schluchten und Spalten in den hochgelegenen Bergwäldern. Im Spätsommer, mit bereits etwas feuchteren und kühleren Nächten, präsentieren sie sich am schönsten. Sie leiden wenig unter Krankheiten und Schädlingen und einige sind auch ziemlich gut winterhart. Der Name Encliandra stammt aus dem Griechischen und bedeutet ungefähr "eingeschlossene Staubfäden". In beinahe allen Sektionen der Gattung Fuchsia sind alle acht Staubfäden nach aussen gerichtet. In der Sektion Encliandra hingegen ist jeder zweite Staubfaden in die Blütenröhre zurückgeschlagen und es zeigen nur vier nach aussen. Wie bei der vorgängig behandelten F. procumbens kommen auch die Pflanzen in dieser Sektion in verschiedenen Geschlechtsformen vor. "Encliandras" sind oft zweihäusig (diözisch), d.h. mit männlichen Blüten auf einer Pflanze und weiblichen auf einer anderen Pflanze derselben Art. Oder sie sind gynodiözisch, d.h. weibliche Blüten auf einer Pflanze und zwittrige (zweigeschlechtliche) Blüten auf anderen Pflanzen. Als die verschiedenen Arten dieser Sektion entdeckt wurden, glaubte man aufgrund der verschieden ausgeprägten Blüten immer wieder eine neue Art entdeckt zu haben und vergab jeweils einen neuen Namen. Im Verbreitungsgebiet stehen die Pflanzen nicht immer dicht beieinander, dazu kommt die Tatsache, dass die verschieden geschlechtlich ausgeprägten Blüten sehr unterschiedlich aussehen. Die Folge ... "wieder eine neue Art"! Dadurch kommen verschiedene Namen für ein und dieselbe Art vor. Auch scheint es, dass die Erscheinungsform (Habitus) der Arten jeweils abhängt von der Höhe über Meer und den dort vorhandenen Bestäubern. 1943 hat Philip A. Munz die ganze Gattung Fuchsia anhand von Herbarmaterial inventarisiert. Dabei haben sich aber einige Fehler eingeschlichen. 1969 hat Dennis E. Breedlove die Sektion neu inventarisiert und so eingeteilt, wie sie heute anerkannt und überall in Gebrauch ist. Wir beginnen mit F. cylindracea. In der freien Natur bilden sich Sträucher von 1.5 - 4 m Höhe. Diese Art ist zweihäusig. Dabei ist die Wuchsform leicht unterschiedlich. Die männliche Pflanze ist bei mir immer kompakter als die weibliche, die etwas aufrechter ist. Die Blätter sind ziemlich gross für eine Pflanze dieser Sektion, bis zu 7.5 cm lang. Sie sind länglich oval mit spitzem Ende. Sie sind schön dunkelgrün mit einer etwas helleren Unterseite. Die Blätter stehen kreuzweise gegenständig und sind beidseitig behaart. Die Blüten, oder eigentlich die Blütenröhren, sind zylinderförmig, was dann auch namensgebend ist. Die männlichen Blüten sind gut 1.5 cm lang und damit beinahe zweimal so lang wie die weiblichen. Sie sind orangerot und haben sehr kleine Kelch- und Kronblätter. Auch die Blüten sind behaart. Aus den weiblichen Blüten entwickeln sich runde, schwarze Beeren, die jeweils ungefähr 20 Samen enthalten. Diese Art kommt in den immergrünen Nebelwäldern in den Bergen von Südwest-Mexiko auf Höhen zwischen 1'500 und 2'500 m vor. Auch wachsen sie als verstreut stehende Büsche in den Eichen-Tannen-Erdbeerbaum-Wäldern. F. encliandra: Wie bei allen "Encliandras" haben die männlichen Blüten also nur 4 sichtbare Staubfäden. Die weiblichen Blüten haben natürlich nur einen Stempel und sind wiederum viel kleiner. Diese Art hat drei Unterarten. Was den Namen betrifft, gibt es alle drei in unseren Sammlungen in den Niederlanden, aber die Frage ist: Sind es die echten?

F. encliandra ssp. encliandra: Wir haben hier eine doppelte Aufführung des Namens. Dies ist meist die erstbeschriebene Art. Sobald eine weitere Unterart auftaucht, erhält die erst gefundene den Artnamen auch als Unterartnamen. Es ist ein aufrechter Strauch von 0.5 bis 2 m Höhe. Die beinahe 3 cm langen Blätter sind elliptisch bis schmal oval und enden spitz. Sie sind glatt und beidseitig behaart. Die männlichen Blüten sind gut 1,5 cm lang. Die Blütenröhre und der Kelch sind rosa bis rot, die Krone ist weiß Sie haben nur einen rudimentären Stempel. Die weiblichen Blüten sind nur halb so groß und die Staubfäden sind geschrumpft. Der Stempel ragt beinahe 4 mm aus der Blüte. Die Beeren enthalten bis zu 18 Samen. Diese Unterart trifft man typischerweise in den Eichen-Tannen-Wäldern von Mexiko in Höhen von 1.800 - 2.600 m.

F. cylindracea männlich

F. cylindracea weiblich

Die zweite Unterart heißt F. encliandra ssp. tetradactyla. "Tetra" heißt vier. Bei "dactylo" kommt Ihnen vielleicht der Begriff Daktyloskopie (Fingerabdruckuntersuch) in den Sinn; "dactylo" bedeutet Finger. Vier Finger darum, weil der Stempel bei den weiblichen Blüten deutlich 4-lappig ausgebildet ist. Diese Unterart wächst als Strauch von 0,8 - 2 m Höhe. Die Blätter sind elliptisch und können bis zu 11 cm lang und 5 cm breit werden, die Oberfläche ist leicht behaart. Die männlichen Blüten sind 12.5 mm groß und auch sie haben nur einen rudimentären Stempel. Die weiblichen Blüten sind kleiner und strecken den Stempel bis zu 5 mm aus der Krone nach außen. Blütenröhre und Kelch sind rot und die Krone blüht weiß auf und verblüht purpurrot. Die Beeren enthalten bis zu 8 Samen. Diese Unterart wächst häufig auf einer Höhe von 1.500 - 2.400 m in den Eichen-Tannen-Wäldern von Mexiko, Guatemala, El Salvador, Honduras und Nordnicaragua.

F. encliandra microphylloides weiblich

F.  encliandra tetradactyla

Noch nicht sehr lange ist eine dritte Unterart anerkannt, nämlich F. encliandra ssp. microphylloides. "Micro" bedeutet klein und "phylla" Blatt, es geht also um kleine Blätter. Die Pflanze bildet Sträucher von 1 - 2 m Höhe. Die Blätter sind gegenständig, lanzettlich, bis 4 cm lang und 1.5 cm breit. Der Blattrand ist leicht gezähnt. Die männlichen Blüten sind 1.5 cm lang, purpurrot und haben einen wenig ausgebildeten Stempel. Die weiblichen Blüten sind kleiner und der Stempel wächst 2,5 mm über die Blüte hinaus. Die beinahe runden Beeren enthalten bis zu 10 Samen. Diese Unterart war vorher bei F. encliandra ssp. encliandra eingeteilt, ist nun aber eigenständig. Sie wächst in Höhen von 2.200 - 3.000 m. In der nächsten Folge behandeln wir weitere Arten aus dieser Sektion.

Quelle: Fuchsiana 03/2012
Übersetzung: Hans Eggenberger (he)
Fotos: Henk Hoefakker